Dressurlektionen als Punkte auf einem Kontinuum

Dressurlektionen als Punkte auf einem Kontinuum

Viele Dressurreiter sehen die Lektionen ausschließlich durch die Brille der Definitionen der FEI Regeln. Reitet jemand eine Lektion, wie beispielsweise ein Schulterherein, dann erfüllt es entweder die in den Regeln festgelegenen Anforderungen oder nicht. Anders gesagt, entweder es IST ein Schulterherein, oder es ist es NICHT. Dies ist mehr oder weniger die Sichtweise des Turnierrichters und ist vollkommen berechtigt auf Turnieren oder bei Schauprogrammen. In der Ausbildung betrachte ich das Ganze lieber etwas flexibler. Ich sehe Lektionen eher als Punkte auf einem Kontinuum, weil es unrealistisch ist, von einem Pferd oder einer Reiterin zu erwarten, dass sie gleich beim ersten Versuch ein perfektes Schulterherein oder eine perfekte Traversale ausführen können. Als Ausbilder und Lehrer müssen wir also für die Schüler eine Straße oder eine Treppe bauen, die sie von ihrem gegenwärtigen Standort zum fertigen Produkt führt. Das bedeutet, dass wir im Training und im Unterricht Prioritäten setzen und uns dem Endziel in vielen kleinen Lernschritten nähern müssen. Wenn wir gleich beim ersten Versuch Perfektion erwarten würden, wären bei Pferd und Reiterin Mißerfolg, Stress und Frustration vorprogrammiert.
Prioritäten setzen bedeutet, dass man bestimmte Mängel in der Ausführung vorübergehend ignoriert, da sie momentan weniger wichtig sind als gewisse andere Aspekte der Lektion.

Hilfen als Grenzen

Hilfen als Grenzen

Hilfen werden für eine Vielzahl von Zwecken eingesetzt. Die Reiterin kann durch die Hilfen dem Pferd ihre Absichten mitteilen. Sie sind auch Sensoren, die die Muskelanspannung und die Stimmung des Pferdes erfühlen. Wir können sie als Sonden verwenden, die an den Knochen und Muskeln des Pferdes entlang spüren, um steife, unbewegliche Muskeln und Gelenke zu finden. Und sie können eingesetzt werden, um das Pferd einzurahmen und Grenzen zu ziehen, innerhalb deren sich das Pferd bewegen soll.

Übergänge in höhere Gangarten

Übergänge in höhere Gangarten

Übergänge sind immer störanfällig, weil sich die Balance des Pferdes von einer Gangart zur anderen ändert. Das Energieniveau ist in jeder Gangart anders. Die jeweils nötige Rumpfmuskelspannung bei Pferd und Reiter ist unterschiedlich. Die Koordination der Beine ist aufgrund der verschiedenen Fußfolgen in allen Gangarten anders. Wenn das Pferd im Übergang schief wird, sein Gleichgewicht verliert oder auseinander fällt, hat das negative Auswirkungen auf seine Losgelassenheit, Haltung und Anlehnung.

Tipp: Wie reitet man eine gute Ecke? [+ VIDEO]

Die Ecke ist die engste Wendung, die das Pferd auf einfachem Hufschlag ausführen kann.

Sie wird in 3 Tritten des inneren Hinterbeins geritten. Die Ecke bildet einen Viertelkreis. Die kleinste Volte, die das Pferd auf einfachem Hufschlag ausführen kann, hat daher einen Umfang von 4 x 3 = 12 Tritten des inneren Hinterbeins.

Eine effektive Art und Weise, gute Ecken mit korrekter Biegung zu reiten, besteht darin, die Ecke vorzubereiten, indem man während der letzten beiden Tritte vor der Ecke 2 halbe Paraden am äußeren Zügel erteilt, wenn das äußere Hinterbein aufgefußt hat (1. Test des äußeren Hinterbeins). In der Ecke kann man das innere Hinterbein vom inneren Schenkel 2 Tritte Zirkel vergrößernartig übertreten lassen (1. Test des inneren Hinterbeins). Dies überträgt das Gewicht von der inneren Schulter auf das äußere Beinpaar. Man erhält dadurch das Gefühl, dass das innere Hinterbein bereit ist, dem inneren Reiterschenkel zu weichen, dass der Brustkorb bereit ist, dem inneren Oberschenkel zu weichen und dass die Ganasche bereit ist, dem inneren Zügel nachzugeben. Gleichzeitig dehnt sich das Pferd an den äußeren Schenkel und Zügel heran.

Am Eckenausgang kann noch einmal 2 halbe Paraden am äußeren Zügel geben, wenn das äußere Hinterbein aufgefußt hat (1. Test des äußeren Hinterbeins). Auf der hohlen Seite des Pferdes kann es manchmal effektiver sein, wenn man die Ecke in einer Schultervor Stellung reitet (2. Test des inneren Hinterbeins).

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Tipp: Warum Ecken wichtig sind [+ VIDEO]

Tipp: Warum Ecken wichtig sind [+ VIDEO]

Die korrekt gerittene Ecke bildet mit ihrer Seitenbiegung die Grundlage für die Biegearbeit, d.h. alle Wendungen und Seitengänge. Die Biegung ist in den Seitengängen dieselbe wie in der Ecke. Daher ist es sehr wichtig, die bestmögliche Biegung in der Ecke herzustellen, sodass der Seitengang, der auf der langen Seite oder auf der Diagonalen folgt, die größten Erfolgschancen hat.

Tipp: Inneres Hinterbein aktivieren [+ VIDEO]

Tipp: Inneres Hinterbein aktivieren [+ VIDEO]

Als ich darüber nachdachte, was ich heute für einen Tipp geben möchte, ist mir eingefallen, wie schwierig es bei manchen Pferden ist, die Energie aufrecht zu erhalten oder sogar noch zu erhöhen.
Bei Pferden, die gerne in den Energiesparmodus verfallen, kann man bei Übungen, die aus verschiedenen Wendungen und Seitengängen zusammengesetzt sind, die Neuordnung der Pferdebeine und der Balance ausnützen, die bei jeder Wendung und jedem Handwechsel stattfindet. Um die Energie im Pferd aufrechtzuerhalten bzw. zu erhöhen, aktiviert man dazu während der ersten zwei Tritte auf der neuen Hufschlagfigur oder in der neuen Lektion das (neue) innere Hinterbein mit dem Schenkel oder man lässt die Gerte etwas vibrieren, damit das Pferd dieses Hinterbein schneller hochhebt. Das führt dazu, dass das Pferd etwas schneller, früher und mit mehr Energie vom Boden abhebt. Dadurch beginnt es die neue Wendung oder Lektion mit mehr Elan.

Tipp: Wenden wie ein Zirkel (Geometrie) [+ VIDEO]

Tipp: Wenden wie ein Zirkel (Geometrie) [+ VIDEO]

In Wendungen drehen viele Reiter ihren Kopf und ihre Schultern zu weit in die neue Richtung, während ihr Becken mehr oder weniger geradeaus gerichtet bleibt. Das Pferd folgt jedoch in der Regel der Ausrichtung des Reiterbeckens. Es geht dorthin, wo der Bauchnabel hinzeigt.