Einleitung
Viele Reiter haben Mühe mit dem geschlossenen Halten, bei dem beide Hinterbeine unter der Last stehen, das Gewicht gleichmäßig über die Unterstützungsfläche verteilt ist, das Pferd rund, aufgerichtet und leicht ist. Die meisten Pferde lassen ein Hinterbein hinten herausstehen oder sie haben ein Vorderbein weiter unter dem Körper als das andere.
4 Arten des nicht geschlossenen Stehens
Es gibt im wesentlichen 4 Möglichkeiten, wie das Pferd nicht geschlossen halten kann. Alle gehen auf einen Mangel an Balance, Geraderichtung und Durchlässigkeit zurück.
1. Das Pferd wurde im Übergang schief. Es ist entweder mit dem Vorderbein der steifen Seite seitlich ausgewichen und hat sich auf diese Schulter gestützt. Oder es ist mit dem Hinterbein der hohlen Seite seitlich ausgewichen.
2. Das Tempo wurde langsamer, sodass das Pferd ein wenig auseinander fiel. Wenn die halben Paraden nicht 100% durchgehen, werden manche Pferde im Übergang langsamer, sodass am Ende das Hinterbein der steifen Seite anhält, während die anderen drei Beine sich noch bewegen. Dann steht das Hinterbein der steifen Seite ein wenig zurück.
3. Die Reiterin hat entweder zu viel oder zu früh mit der Hand nachgegeben, sodass die Vorderbeine im Halten vorwärts kriechen konnten. Viele Pferde halten im ersten Moment ganz gut. Dann spüren sie jedoch, dass das geschlossene Halten anstrengt und schleichen mit den Vorderbeinen Zentimeter um Zentimeter nach vorne, sodass das Pferd am Ende auseinander gefallen dasteht. Manchmal steht ein Vorderbein weiter vor als das andere und manchmal macht ein Hinterbein einen Schritt nach vorne, weil die Vorderbeine von den Hinterbeinen weg marschieren.
4. Ein Hinterbein hat einen Schritt rückwärts gemacht. Manchmal halten die Pferde für einen kurzen Moment perfekt geschlossen an, aber einen Sekundenbruchteil später tritt ein Hinterbein zurück, um das Gewicht zu reduzieren, dass es stützen muss.
Ursachen
Diese vier Arten des nicht geschlossenen Haltens sind im Grunde Symptome der natürlichen Schiefe und/oder ein Mangel an Durchlässigkeit der Pferdehüften und des Genicks.
Tritt ein Vorderbein ein wenig zur Seite, ist es ein Zeichen der Schiefe.
Tritt ein Hinterbein zurück, kann es entweder ein Zeichen der Schiefe sein, oder es kann ein Versuch sein, hinter die Hilfen zu kommen. Wenn die Vorderbeine vorwärts schleichen, ist ein ein Reiterfehler, da die Reiterin zu viel oder vielleicht auch zu abrupt nachgegeben hat, sodass das Pferd mit den Vorderbeinen einen Schritt nach vorne getan hat, um den Raum zu füllen, den die Hand geschaffen hat. Macht die Reiterin Fehler in ihrem Sitz, im Timing und der Koordinierung der Hilfen, wird das Pferd natürlich ebenfalls nicht geschlossen halten.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Verbindung aller vier Beine zum Boden und zum Gewicht. Kann man durch alle vier Pferdebeine den Boden erreichen, wird das Pferd wahrscheinlich geschlossen halten. Blockiert dagegen ein oder auch mehrere Beine die halben Paraden oder die Gewichtshilfen, dann wird das Halten wahrscheinlich auch nicht geschlossen sein. Diese ungleiche Durchlässigkeit der vier Beine ist oft ebenfalls das Ergebnis der Schiefe. Sehr oft ist ein diagonales Beinpaar weniger gut mit dem Boden und dem Gewicht verbunden als das andere. Sobald man die Beine ebenfalls verbunden hat, die vorher nicht zur Verfügung standen, wird das Pferd viel besser ausbalanciert, viel besser geradegerichtet und viel durchlässiger sein als zuvor.
Ein ausgezeichneter Test der Verbindungen der Beine sind die Paraden vom Schritt zum Halten und später auch vom Trab zum Halten in alle vier Beine. Daran kann man erkennen, welche Beine empfänglich für die Gewichtshilfen und die halben Paraden sind und welche Beine nicht. Gleichzeitig verbinden diese Übergänge die Beine. Deshalb sind sie so eine gute Übung.
Anhalten/Tempo verlangsamen in alle 4 Beine, um die Pferdebeine mit dem Reitergewicht und dem Boden zu verbinden
Warum
Anhalten in alle 4 Beine ist eine sehr gute Übung, um das Pferd besser auszubalancieren und geradezurichten. Es stellt eine Verbindung vom Reitergewicht durch die Pferdebeine zum Boden her. Dadurch verbessert sich die Durchlässigkeit des Pferdes für die Hilfen, sein Gleichgewicht, sein Körperbewusstsein, seine Rückenaktivität, seine Geschmeidigkeit und seine Anlehnung.
Was
Man kann diese Übung sowohl auf geraden als auch auf gebogenen Linien reiten. Man kann sie auf einfachem Hufschlag und in Seitengängen reiten. Zu Beginn würde ich sie entweder auf dem großen Zirkel oder auf der ganzen Bahn reiten. Wenn man sie auf dem Zirkel reitet, bieten sich die Zirkelpunkte für die Paraden an. Da es 4 Pferdebeine und 4 Zirkelpunkte gibt, kann man an jedem Zirkelpunkt eine Ganze Parade reiten.
Mit dieser Übung kann man Paraden vom Schritt zum Halten, vom Trab zum Halten und vom Trab zum Schritt reiten.
Paraden aus dem Galopp eignen sich für diese Übung weniger. Wir reiten Galopp - Trab Übergänge ins äußere Hinterbein, Galopp - Schritt und Galopp - Halten Übergänge ins innere Hinterbein.
Wenn man eine Parade in ein bestimmtes Bein reitet, schickt man das eigene Körpergewicht durch dieses Bein in den Boden und stellt damit eine Verbindung zwischen dem Reitergewicht und dem Boden her. Diese Verbindung kann nur zustande kommen, wenn das Pferd sich den Hilfen öffnet und ihnen erlaubt durch diesen Körperteil hindurchzufließen.
Falls Muskelblockaden in diesem Bein oder um dieses Bein herum vorhanden sind, können die Hilfen nicht durchgehen. Das Pferd drückt dann den Rücken weg und sperrt sich mit seinem Körper gegen die halben Paraden.
Das Gewicht und die halben Paraden sind ähnlich wie Regenwasser, das vom Hausdach in die Regenrinne fließt und von dort durch ein Rohr in den Boden. Wenn die Regenrinne durch altes Laub verstopft ist oder wenn das Abflussrohr verstopft ist, dann wird die Regenrinne überfließen und das Wasser kann nicht durch das Rohr in den Boden fließen.
Diese Paraden zeigen sofort sehr deutlich jeden Mangel an Durchlässigkeit und jede Muskelverspannung und erlauben Ihnen den genauen Körperteil zu bestimmen, dessen Muskeln blockiert sind. Durch Wiederholung verbessert sich die Durchlässigkeit und Geschmeidigkeit des Pferdes.
Wie
Fangen Sie mit der einfachsten Variante der Übung an. Reiten Sie einen Übergang vom Schritt zum Halten in jedes Bein, beginnend mit dem äußeren Vorderbein, gefolgt vom äußeren Hinterbein, anschließend ins innere Vorderbein und zuletzt ins innere Hinterbein.
Reiten Sie jeden Übergang mit 3 halben Paraden in 3 aufeinanderfolgenden Tritten. Die ersten beiden halben Paraden kündigen dem Pferd den kommenden Übergang an, sodass es sich innerlich darauf vorbereiten kann. Die dritte halbe Parade führt den Übergang aus. Beim Reiten der Paraden kann man in Gedanken mitzählen: Parade, Parade, Halt.
In der einfachsten Version wendet man einen Bügeltritt und eine halbe Parade auf der Seite des Pferdes an, auf der sich das angezielte Pferdebein befindet.
Will man ins äußere Vorderbein anhalten, übt man einen leichten Druck gegen den äußeren Steigbügel aus und gibt eine halbe Parade am äußeren Zügel, wenn das äußere Vorderbein aufgefußt hat.
Will man ins äußere Hinterbein anhalten, übt man einen leichten Druck gegen den äußeren Steigbügel aus und gibt eine halbe Parade am äußeren Zügel, wenn das äußere Hinterbein aufgefußt hat.
Will man ins innere Vorderbein anhalten, übt man einen leichten Druck gegen den inneren Steigbügel aus und gibt eine halbe Parade am inneren Zügel, wenn das innere Vorderbein aufgefußt hat.
Will man ins innere Hinterbein anhalten, übt man einen leichten Druck gegen den inneren Steigbügel aus und gibt eine halbe Parade am inneren Zügel, wenn das innere Hinterbein aufgefußt hat.
Falls Bügeltritte momentan noch zu schwierig erscheinen, kann man auch nur mit Zügel und Sitz parieren.
Sobald sich die einfache Version leicht anfühlt, probieren Sie eine komplexere Variante. In der ersten halben Parade verwendet man den Zügel derselben Seite. In der zweiten halben Parade verwendet man den diagonalen Zügel und in der dritten Parade verwendet man beide Zügel.
Mit anderen Worten, wenn Sie ins äußere Vorderbein parieren möchten, setzen Sie in der ersten halben Parade den äußeren Steigbügel und den äußeren Zügel ein.
In der zweiten halben Parade verwenden Sie den äußeren Steigbügel und den inneren Zügel.
In der dritten halben Parade verwenden Sie den äußeren Steigbügel und beide Zügel.
Wenn Sie ins innere Hinterbein parieren möchten, setzen Sie in der ersten halben Parade den inneren Steigbügel und den inneren Zügel ein.
In der zweiten halben Parade verwenden Sie den inneren Steigbügel und den äußeren Zügel.
In der dritten halben Parade verwenden Sie den inneren Steigbügel und beide Zügel.
Fazit
Ein geschlossenes Halten erfordert eine gewisse Kraft der Bauchmuskulatur und der Hinterhand des Pferdes. Deshalb versuchen Pferde oft, den “Radstand” zu vergrößern, damit die Hinterbeine nicht so viel Gewicht stützen müssen.
Geschlossenes Stehen verbessert sich nicht allein durch häufig wiederholte ganze Paraden. Es verbessert sich jedoch automatisch, wenn man gewissenhaft darauf achtet, dass das Tempo bis zum Ende konstant bleibt, dass das Pferd auf die Hufschlagfigur eingerichtet ist und dass alle vier Beine mit dem Boden und dem Gewicht verbunden sind. Konzentriert man sich auf diese Dinge, entwickelt sich das geschlossene Stehen quasi von selbst als Nebenprodukt. Die ganzen Paraden und das geschlossene Stehen sind also kein Trick, den man dem Pferd auf Knopfdruck beibringt, sondern das Resultat von Balance, Geraderichtung und Durchlässigkeit.