Überraschung. Hätten Sie dies über die Kandarenzäumung gewußt?


Die Kandare ist nicht als Bremse gedacht und nicht dazu da, den Pferdekopf herunterzuziehen, sondern als ein Instrument der Verfeinerung - wenn sie richtig angewendet wird. Sie ermöglicht eine differenziertere Kommunikation als die Trense. Das ist ein Punkt, der leider heute von vielen nicht erkannt wird.

Da die beiden Gebisse unterschiedlich gebaut sind, üben sie eine ganz andere Wirkung auf das Pferd aus. Die Trense eignet sich besser zum seitlichen Biegen und zum Aufrichten. Das Gelenk in der Mitte des Gebisses erlaubt eine einseitige Einwirkung auf eine Seite des Unterkiefers ohne dabei die andere Seite zu beeinflussen.

Die Kandare hat dagegen eine eher beizäumende und versammelnde Wirkung. Sie ist heutzutage in der Regel ungebrochen (vor der Französischen Revolution wurden auch öfter gebrochene Kandarengebisse verwendet). Das bedeutet, dass jeder einseitige Zügelanzug nicht nur diese Seite des Unterkiefers beeinflusst, sondern auch die gegenüberliegende Seite. Wird ein Kandarenzügel einseitig stärker eingesetzt, fängt das Gebiss an sich im Maul zu verkanten, was dann wieder zu einem Verwerfen im Genick führen kann. Daher betonen die Autoren des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, dass eigentlich beide Kandarenzügel in eine Hand gehören. Dadurch wird das Verkanten des Gebisses im Pferdemaul verhindert. Dies ist auch der Ursprung der klassischen 3:1 Führung, die noch heute an der Spanischen Reitschule in Wien verwendet wird.

Das Ziel der Kandarenausbildung war immer die einhändige Führung, da bei allen praktischen Arbeitsreitweisen eine Hand frei bleiben musste, um z.B. ein Werkzeug (Garrocha, Riata) oder eine Waffe (Schwert, Säbel, Lanze) zu halten. Da die meisten Menschen Rechtshänder sind, wird traditionell die rechte Hand für Waffe oder Werkzeug benützt, während die linke Hand die Zügelhand ist.

Die Kandarenanzüge üben eine Hebelwirkung aus, die mittels der Kinnkette auf den Unterkiefer übertragen wird. Ohne Kinnkette oder mit zu lose eingehängter Kinnkette wird die Zügeleinwirkung nicht richtig übertragen. Ist die Kinnkette richtig eingehängt, überträgt sie sich vom Unterkiefer über die Wirbelsäule bis zur Hinterhand. Dadurch kann sie die Beugung der Hinterhandgelenke sehr gut unterstützen und verstärken.

An der alten Spanischen Reitschule (prä-Podhajsky) war es üblich, das Pferd mit Hilfe des Kappzaums auf die Kandare vorzubereiten. Zuerst wurde es eine zeitlang mit Kappzaum und Trense vollkommen geschmeidig und durchlässig gemacht und dann mit Kappzaum und Kandare auf die Kombination von Unterlegtrense und Kandare vorbereitet. Zum Schluß wurde der Kappzaum durch die Unterlegtrense ersetzt. Dieses Vorgehen ermöglichte eine sehr gründliche, allmähliche Vorbereitung des Pferdes auf die Kandarenzäumung, sowie eine systematische Einführung in die Kommunikation mit diesen beiden Gebissen.

Da die Unterlegtrense und die Kandare ganz unterschiedlich auf das Pferd wirken, sollte man die beiden Gebisse auch dementsprechend unterschiedlich behandeln und einsetzen. Es gibt eine ganze Reihe verschiedener Möglichkeiten der Zügelführung mit Kandare. Jede dieser Führungen hat ihre eigenen Vor- und Nachteile. So eignet sich beispielsweise die Fillisführung besonders gut zur Einführung für Pferd und Reiter, da die Trensen- und Kandarenzügel durch die ganzeHand geteilt werden. Dadurch kann man besonders leicht die beiden Gebisse separat ansprechen ohne befürchten zu müssen, dass man aus Versehen den Kandarenzügel mit betätigt, wenn man eigentlich den Trensenzügel verwenden wollte.

Die klassische 3:1 Führung eignet sich besonders gut zur Einrahmung und Positionierung der Pferdeschultern, da beide Kandarenzügel in der linken Hand vereinigt sind. Man fühlt damit jede Neigung zur Schiefe deutlicher als mit der Trense alleine und man kann die Vorhand und Hinterhand noch effektiver auf einander einrichten.

 

Die heute meistens übliche Führung mit geteilten Zügeln (2:2) ist im Grunde die schlechteste, weil sie am wenigsten Differenzierung der Kandaren- und Unterlegtrensenzügel zuläßt und dazu verführt, beide Zügel so einzusetzen, als ob sie zum gleichen Gebiß gehören würden. Früher wurde diese Führung hauptsächlich in schwierigem Gelände und beim Springen eingesetzt. Der undifferenzierte Gebrauch der Unterlegtrensenzügel und der Kandarenzügel scheint schon immer ein gewisses Problem gewesen zu sein, da Dupaty de Clam 1777 in seinem Buch L’Art et Science de L’Équitation schon darauf hinwies, dass man sie nie identisch einsetzen sollte, da sie einander sonst unter Umständen widersprechen.