Wie man das Training "frisch" halten kann
Eine Schülerin aus unserem Video Coaching Programm hat beobachtet, dass ihr Pferd die Übungen anstrengender fand, als sie erwartet hatte. Er schien am nächsten Tag etwas müde zu sein und vielleicht auch Muskelkater bekommen zu haben. Daher fragte sie mich, wie sie die Arbeit strukturieren sollte, um einerseits das Pferd nicht zu überanstrengen, ihm aber andererseits genügend Bewegung zu verschaffen, wenn der Koppelgang und das Ausreiten witterungsbedingt sehr eingeschränkt sind. Diese Problematik betrifft sehr viele Reiter und Pferde. Daher möchte ich ein paar Gedanken dazu hier in der Gruppe teilen.
Es stimmt, dass die Übungen das Pferd in eine andere Balance, eine andere Haltung bringen. Das bedeutet, dass jetzt andere Muskeln arbeiten müssen als bisher. Muskeln, die früher nichts getan haben, müssen plötzlich eine viel höhere Leistung bringen. Andere Muskeln, die früher überlastet und permanent verspannt waren, können sich endlich loslassen. Daher kann es sein, dass die Pferde körperlich und geistig früher müde werden, mehr Pausen innerhalb der Einheit brauchen und vielleicht auch mehr Ruhetage als sonst. Nach und nach bekommen die neuen Muskeln natürlich mehr Kraft und Kondition. Dann werden sie von dieser Arbeit auch nicht mehr erschöpft.
Ich würde etwas mit der Einteilung der Arbeit experimentieren und Tage einlegen, an denen ich nur longiere oder dem Pferd ganz frei gebe.
Man kann die Arbeit auch an manchen Tagen weniger intensiv machen, indem man mehr auf größeren Linien und auf dem einfachen Hufschlag reitet und die Seitengänge vielleicht nur ein wenig im Schritt zum Lockern der Muskulatur einsetzt. Ich würde jedoch beim Reiten immer darauf achten, dass das Pferd ausbalanciert und geradegerichtet ist und sich korrekt bewegt, sodass man nicht nur einfach “herumreitet" und das Pferd sich selbst überlässt, weil es durch das Abspulen von “leeren Kilometern” nur schief und steif werden und auseinander fallen würde. Damit würde man die bisherigen Trainingserfolge wieder zunichte machen.
Was sich gut bewährt hat, ist vor dem Reiten ein wenig zu longieren (10-20 Min), um das Pferd auszubalancieren (runder Zirkel in gleichmäßigem Tempo, mit gleichmäßiger Anlehnung an der Longe) und es in eine gewisse mentale Versammlung zu bringen. Dabei kann man sehr gut sehen, wie sich das Pferd an dem jeweiligen Tag fühlt, wie viel Energie es hat, wie locker oder steif es ist, wie es sich bewegt. Man kann dabei auch ein wenig über Stangen treten lassen.
Dann kann man ein paar Minuten Handarbeit machen, um das Gleichgewicht weiter zu verbessern und die Hinterbeine etwas beweglich zu machen, sodass man dann beim Aufsitzen ein angenehmes Pferd hat, das schon aufgewärmt und losgelassen ist und sich auf die Arbeit konzentriert.
Es lohnt sich sehr, immer wieder am Aufbau der Arbeitseinheiten zu feilen, um das Pferd so vorzubereiten, dass es schon beim Aufsitzen möglichst ausbalanciert und geschmeidig ist, sodass beim Reiten die Sehnen und Gelenke des Pferdes und der Rücken der Reiterin möglichst gut vor harten Erschütterungen geschützt sind.
An manchen Tagen wird man es dann vielleicht beim Longieren und der Handarbeit belassen, weil sich das Pferd nicht in der richtigen Verfassung befindet oder sich nicht wohl genug fühlt. An anderen Tagen kürzt man das Longieren vielleicht ab und setzt sich früher drauf.
Die Handarbeit wird man vielleicht ebenfalls manchmal weglassen, je nachdem, welchen Eindruck das Pferd im Stall beim Putzen und an der Longe macht. Es gibt Tage, an denen ist es besser, wenn man nicht reitet und andere, an denen man sich auch "kalt" aufs Pferd setzen kann.
Eine weitere Strategie, die sich bei mir im Laufe der Jahre herauskristallisiert hat, ist zuerst eine komplexe Übung im Schritt zu reiten, bei der das Pferd denken muss und sein Körpergefühl, sein Balanciervermögen und seine Koordination gefördert (und gefordert) werden. Im Anschluss an diese Reprise reitet man im Trab (oder Galopp) Zirkel und ganze Bahn, damit Pferd und Reiter über die letzte Übung nachdenken können. Da die Übungen die Balance stark verändern, braucht das Pferd u.U. etwas Zeit um sich an diese neue Haltung mit der neuen Muskulatur zu gewöhnen. Der Trab auf den größeren Linien gibt ihm Zeit, das gerade Gelernte zu verdauen und den Körper anzufühlen.
Die Reiterin hat dann ebenfalls die Gelegenheit darüber reflektieren, wie gut oder schlecht die Übung verlaufen ist und wie sie sich hinterher auf den Gang und die Haltung auswirkt. Das gymnastische Resultat der Übung sieht man oft erst wenn man anschließend in einer höheren Gangart geradeaus reitet.
Man kann sich nun überlegen, ob es sich lohnt, die Übung ins Repertoire aufzunehmen, oder ob man sie lieber noch zurückstellt. Nimmt man sie ins Repertoire auf, denkt man darüber nach, ob man sie eventuell modifizieren möchte, damit sie noch effektiver wird und was man beim nächsten Mal am eigenen Sitz und der Hilfengebung verändern könnte, um das Pferd in der Übung besser führen zu können. Und schließlich trifft man eine Entscheidung wie man jetzt weiter verfahren möchte.
Gleichzeitig werden in den Reprisen in der höheren Gangart auf einfacheren Linien Herz, Kreislauf und Kondition trainiert.
Dann kommt evtl. eine komplexe Übung im Trab, gefolgt vom Galopp auf großen Linien, etc. bis man auch im Galopp komplexe Übungen mit Traversalen, fliegenden Wechseln und Pirouetten reiten kann. Diese Struktur hat sich sehr gut bewährt. Auf diese Weise bekommen die Pferde genug "Auslauf", aber auch genug “Kopfarbeit”, sodass Körper und Geist gleichermaßen trainiert werden.
Die Pferde verändern sich oft durch diese Art der Arbeit sehr schnell, sodass sie eine zeitlang jeden Tag anders sein können und man das Gefühl hat, dass man sein Pferd gar nicht wieder erkennt. Man muss es also im Grunde neu kennen lernen. Daher ist es hilfreich, wenn man es mit der gleichen Einstellung reitet, als wenn man auf einem fremden Pferd säße. Wichtig ist, dass man flexibel ist und sich an die neuen Gegebenheiten anpasst anstatt sich zu wundern, warum die alte Reitweise, der alte Sitz und die alte Hilfengebung nicht mehr funktionieren.