Eines der Themen, über die unsere Mitglieder in der Artistic Dressage Community auf Facebook gerne mehr lernen wollten, ist die halbe Parade. Das ist einer der Begriffe, die jeder zu gebrauchen scheint (manchmal nur, weil man dann wie ein Fachmann klingt), aber die kaum jemand erklärt. Daher ist die halbe Parade für viele Reiter ein gewisses Mysterium. Das muss allerdings nicht sein. Die Theorie dahinter ist recht simpel.
Zweck
Der Zweck der halben Parade besteht darin, das aufgefusste Hinterbein in seinen Gelenken vermehrt durch die Last zu beugen und es eventuell etwas länger am Boden festzuhalten, sodass es einen größeren Anteil des Gewichts von Pferd und Reiter unterstützt.
Timing
Die Reiterhilfen können nur mit den natürlichen Bewegungen des Pferdes arbeiten und dieseentweder akzentuieren oder reduzieren. Jedes Hinterbein schwingt in der Luft nach vorne, setzt vor der Vertikalen auf, empfängt die Last, beugt seine Gelenke, passiert die Senkrechte, indem der Körper vorwärts transportiert wird, streckt seine Gelenke ab diesem Moment wieder und schiebt die Körpermasse vorwärts.
Die Aufgabe der halben Parade besteht darin, die Gelenke eines Hinterbeines vermehrt zu beugen und manchmal auch die Stützphase zu verlängern, indem das Hinterbein länger am Boden festgehalten und das Tempo verlangsamt wird.
Die Job Beschreibung macht deutlich, dass der einzige Moment der Fußfolge, der für die halbe Parade in Frage kommt, der Moment der Stützphase ist, d.h. also wenn sich das Hinterbein auf dem Boden vor der Senkrechten befindet.
Erteilt man eine halbe Parade, wenn das Hinterbein in der Luft ist, kann es nicht auf sie reagieren.
Erteilt man die halbe Parade, wenn das Hinterbein am Boden hinter der Senkrechten ist, dann streckt es seine Gelenke bereits wieder und schiebt die Last vorwärts. Die Parade würde der natürlichen Bewegungsabfolge in diesem Fall diametral entgegen wirken: das Pferd würde sich gegen die Hilfe wehren, weil es physisch nicht dazu in der Lage wäre, sie umzusetzen. Langfristig bestünde für dieses Hinterbein dann ein erhöhtes Risiko für Gallen und Spat.
Hilfen
Es gibt mehrere Hilfen, die man bei den halben Paraden einsetzen kann.
Mit dem Sitz (Beckenboden bzw. Gesäßknochen) kann man das eigene Körpergewicht verwenden, um das Hinterbein zu belasten und es länger am Boden festzuhalten.
Ein Bügeltritt auf derselben Seite und in demselben Augenblick, wo sich das angezielte Hinterbein am Boden befindet wird ebenfalls das Reitergewicht durch das Hinterbein in den Boden schicken. Will man also in das äußere Hinterbein parieren, könnte man einen leichten Druck auf den äußeren Steigbügel ausüben, wenn das äußere Hinterbein aufgefußt hat.
Eine Zügelhilfe kann das Gewicht und die Hebelwirkung von Kopf und Hals des Pferdes auf das am Boden befindliche Hinterbein übertragen. Man kann dafür sowohl den gleichseitigenals auch den diagonalen Zügel verwenden. Der diagonale Zügel kann die diagonale Schulter einrahmen, wenn diese sonst seitlich ausweichen würde. Zügelhilfen können daher also als Gewichtshilfen fungieren.
Alle diese Hilfen werden nur dann erfolgreich sein, wenn der Reiter seine Rumpfmuskeln während der Parade mehr anspannt.
Je nach Exterieur, Temperament und Ausbildungsstand des Pferdes und Gewicht und Größe des Reiters kann man eine dieser Hilfen auswählen oder eine Kombination von zweien (Sitz + Bügel, Zügel + Bügel, Sitz + Zügel) oder sogar alle drei gleichzeitig anwenden. Man muss damit experimentieren, welche Hilfen die besten Resultate liefern. Pferde mit schwachem oder empfindlichem Rücken werden sofort den Rücken wegdrücken und gegen die Hand gehen, wenn man versucht, tiefer oder schwerer zu sitzen. Diese werden sich mit Bügeltritt und Zügelhilfen wohler fühlen. Pferde mit sehr kräftigem Rücken und kräftigen, geraden Hinterbeinen brauchen eventuell eine viel stärkere Hilfe vom Beckenboden und den Gesäßknochen, vor allem wenn die Reiterin klein und leicht ist. Die ideale halbe Parade wird sich auch im Laufe der Karriere des Pferdes in ihrer Stärke und Zusammensetzung verändern, da sich die Bedürfnisse und Fähigkeiten des Pferdes verändern.
Wie fühle ich den richtigen Moment?
Der richtige Moment für die halbe Parade ist relativ leicht zu fühlen. Wenn das Hinterbein auffusst, hebt sich die Pferdehüfte ganz leicht, sodass der Reiter in seinem gleichseitigen Gesäßknochen eine leichte Erschütterung spürt. Falls Sie das nicht fühlen können, kontrollieren Sie, ob Sie gerade sitzen. Wenn man nach vorne fällt oder ein Hohlkreuz macht, sind die Gesäßknochen zu weit vom Pferderücken entfernt, so dass man mit ihnen die Bewegungen der Hinterbeine nicht mehr fühlen kann. Ein weiterer Grund, warum man das Auftreten des Hinterbeins nicht fühlen kann, besteht wenn das Pferd nicht energisch genug vorwärts geht.
Man kann darüber hinaus einen leichten “Pulsschlag” im gleichseitigen Zügel fühlen. Wenn das Hinterbein in der Luft nach vorne schwingt, füllt es den gleichseitigen Zügel. Dies kulminiert in dem Moment, wo das Hinterbein auffußt. Es fühlt sich ganz ähnlich an wie der Pulsschlag einer Arterie. Fühlen Sie dies jedoch nicht, kontrollieren Sie die Zügellänge. Sind die Zügel zu lang, gibt es keine Verbindung und folglich auch keine Kommunikation zwischen den Zügeln und den Hinterbeinen. Sind die Zügel dagegen zu kurz, kann das Pferd sich nicht frei genug bewegen, sodass die Bewegung der Hinterbeine erstickt wird.
Haben Sie noch immer Schwierigkeiten den Hinterfuß deutlich zu spüren, können Sie das Schulterblatt anschauen. Wenn das Schulterblatt des Pferdes vorgeht, befindet sich das entsprechende Vorderbein in der Luft und im Schritt und Trab ist das gleichseitige Hinterbein am Boden. Im Trab sieht man es am leichtesten, da sich die Pferdebein in diagonalen Beinpaaren bewegen. Geht das äußere Schulterblatt zurück, sind das äußere Vorderbein und das innere Hinterbein am Boden. Die visuelle Kontrolle der Pferdeschulter kann ein guter Weg zur Entwicklung des Gefühls für die Pferdebeine sein.
Im Galopp ist das äußere Hinterbein während des höchsten Punktes des Galoppsprungs am Boden. Das innere Hinterbein (+ das äußere Vorderbein) hat aufgefußt, wenn der Reitersitz im Sattel nach vorne gezogen wird.
Dies ist eine kurze Übersicht über den Zweck, das Timing und die Hilfen für die halben Paraden. Ich hoffe, Sie finden diese Erklärungen nützlich. Sie können sie sogleich ausprobieren, wenn Sie Ihr Pferd das nächste mal reiten.
Lassen Sie mich wissen, was Sie herausfinden und schreiben Sie mir, wenn Sie Fragen haben.